Fürs Leben und auf das Leben
“Alles bedingt sich gegenseitig. So auch der Tod das Leben und das Leben den Tod.“
Wir sitzen nach der Film Premiere von „BREATHROUGH“ von Karin Nikbakht in Wien im Restaurant und genießen alle die Atmosphäre dieses herzerfüllenden und großartigen Abends.
Während wir dort sitzen sehe ich eine Nachricht von einer Freundin. Die Nachricht löst etwas Beunruhigendes in mir aus. Auf mein Nachfragen ruft sie mich an.
Ich entferne mich kurz vom Tisch, denn schnell ist klar, das sind keine guten Nachrichten.
Ein Freund ist von dieser Welt gegangen. Er hat sich selbst dazu entschieden.
Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe. In mir ist Stille, wie als ob ich es nicht greifen kann, was da gerade, gesagt wurde. Ich habe keine Worte in dem Moment.
Weder scheint es zum Abend zu passen, noch sonst irgendwie „Sinn“ zu ergeben, dass diese Herzensperson nicht mehr da ist.
Eine Reaktion? Keine Ahnung was ich nun zu tun habe… wir beenden das Telefonat und ich atme kurz durch.
Schnell ist in mir klar: Es darf alles sein, was ist und auch dass ich mich damit gerade nicht akut auseinander setzen muss, ist in Ordnung. Gleichzeitig weiß ich ehrlicherweise nicht was zu tun ist.
So gehe ich wieder an den Tisch.
„Kann ich das jetzt teilen? Wir feiern doch gerade den Film.“ denke ich mir. Wie konträr das alles erscheint.
Gleichzeitig weiß ich, dass meine Künste etwas zu überspielen gen Null gehen.
Pia schaut mich an und merkt schnell, dass etwas nicht passt.
Ich schaue sie an und hardere kurz, wie sag ich das jetzt. Also treffe ich in mir die Entscheidung, ok es darf da sein und ich muss nicht den vollen Fokus drauf legen, wenn ich es gerade nicht so spüre.
Also teile ich es kurz mit den um mich sitzenden und es ist sehr erleichternd. Es ist wunderschön zu spüren, wie viel Platz da wäre, bei all den Menschen um mich, wenn es dran gewesen wäre. Das berührt mich sehr.
Die Nachricht bewegt mich das ganze Wochenende.
Am nächsten Tag startet der 2 tägigen Workshop von Karin N. und ein Teil in mir erwartet fast, dass ich in einem Weinausbruch auf der Matte sitze.
Tatsächlich kommt er nicht. Das Universum sorgt so gut für uns. Meine Nacht war sehr kurz und gleichzeitig ist meine Ausrichtung sehr klar. Das Leben geht weiter.
Das durfte ich bereits durch den Tod meiner Mutter lernen. Es gibt den (von mir lange sehr ersehnten) Pauseknopf nicht und es erscheint mir absurd, die Schönheit, die gleichzeitig im Leben existiert, die Liebe, die Nähe, wegzudrücken, weil etwas geschehen ist, dass mich sehr traurig macht.
Diese Erkenntnis ist sehr neu für mich. Noch nie habe ich es so bewusst wahrgenommen, dass Emotionen und Themen gleichzeitig sein dürfen.
Bei dem Tod meiner Mutter war ich 15 Jahre jung. Die Gefühle, das ganze Leben, haben mich damals völlig übermannt.
Jetzt ist es anders. Eine andere Situation. Ich bin anders.
Mein Fokus lenkt sich vor allem auf die Menschen, die an diesem Workshop teilnehmen werden. Wie möchte ich für diese Menschen gerade da sein?
Es fühlt sich an, als wäre ich am besten da, in dem alles in mir sein darf. Auch weiterhin meine Lebensfreude, auch wenn etwas Schreckliches passiert.
Koexistenz. So kannte ich sie noch nie.
So fühlt es sich auch in den ersten 3 intensiven Atemsets an. Alles darf in mir sein und ich bin da, mit dem was hoch kommt.
Als Gestalter. Nicht als von meinen Emotionen eingenommene Hülle.
Diese Erfahrung zieht sich durch das Wochenende. Am nächsten Tag fließen die Tränen dann so richtig.
Auch das darf sein. Auch hier fühle ich mich ihnen nicht ausgeliefert, sondern sehr frei.
Das sind ganz neue Erfahrungswerte für mich und ich bin diesem Menschen sehr dankbar, dass er uns allen diese Erfahrung schenkt. Auch wenn sie mich zu tiefste traurig macht.
Wer weiß schon, was richtig ist? Ich auf jeden Fall nicht. Ich weiß auch nicht, was für diesen Menschen richtig ist. Die Seele ist frei in ihrer Wahl und ich darf damit gehen, was es in mir hochbringt und auslöst.
Manchmal denke ich, was das für eine wahnsinns Kreation und Zusammenspiel sind, in dem wir Leben. Alles bedingt sich gegenseitig.
So auch der Tod das Leben. Und das Leben den Tod.
Worauf richtest du dich aus in deiner Lebzeit? Diese Frage ist mir mehr denn je hängen geblieben.
Seit diesen Tage spüre ich mein tiefen Willen für diese Leben umso mehr. So richtig zu Leben, auch wenn es sich manchmal unaushaltbar anfühlt oder mich bis auf Anschlag fordert.
Mein Mitgefühl ist so groß für die Angehörigen. Wie mag es ihnen wohl gehen?
Gleichzeitig hilft es niemanden, wenn ich deswegen das Leben anhalte. Ganz im Gegenteil, ich bin mir sicher dieser Mensch freut sich umso mehr, wenn wir alle weiterleben. So wie wir sind.
Am Freitag Abend, nachdem ich die Nachricht erhalten habe, saß ich weinend auf der Dachterrasse über Wien und habe eine Glas Wein für diese Person hingestellt. Ich habe auf dich angestoßen, du schöne Seele. Auf alles was ich von und mit dir erleben durfte. Danke, dass ich dir begegnen durfte.
Der Tod ist die größter Erinnerung zu leben. So richtig.
Fürs Leben und aufs Leben!
Wenn du magst, teile gerne deine Erfahrungen und/oder was es bei dir öffnet.
Ich danke dir für deine Zeit.
Alles Liebe
Antonia